Wie sicher sind internationale Discount-Broker wie Interactive Brokers?

Internationale Broker wie Interactive Brokers bieten tiefe Gebühren und globalen Zugang – doch Sicherheit hat Schichten: segregierte Kundendepots, teils limitierte Einlagensicherung und eigene Verantwortung. Wer Risiken kennt und Cash gering hält, kann beruhigt weltweit investieren.

Wie sicher sind internationale Discount-Broker wie Interactive Brokers?

Die Globalisierung des Wertpapierhandels hat den Privatanleger befreit: Mit wenigen Klicks lassen sich heute US-Technologiewerte, japanische Small Caps oder polnische Staatsanleihen handeln – oft zu Gebühren, die vor zehn Jahren undenkbar gewesen wären. Internationale Discount-Broker wie Interactive Brokers, Degiro oder Saxo haben den Preisdruck erhöht, den Zugang professionalisiert und den Werkzeugkasten erweitert. Doch mit dem ökonomischen Fortschritt wächst ein psychologisches Fragezeichen: Wie sicher ist mein Geld eigentlich, wenn es nicht bei der vertrauten Hausbank in Zürich liegt, sondern bei einer juristisch weit entfernten Brokerage-Plattform?

Sicherheit im Wertpapiergeschäft ist kein einzelner Schalter, den man umlegt, sondern ein System von Schichten. Die erste Schicht ist rechtlicher Natur. Broker sind keine Banken; ihr Kerngeschäft ist die Ausführung und Verwahrung von Wertschriften. Kundeneffekten werden in der Regel segregiert gehalten, also getrennt von den Eigenbeständen des Brokers. Juristisch gehören Aktien und Anleihen nicht zur Konkursmasse des Instituts, sondern verbleiben als Eigentum der Kunden in Sammel- oder Nominee-Verwahrung über zentrale Verwahrstellen wie DTCC, Euroclear oder Clearstream. Diese Trennung ist der Grund, weshalb eine Broker-Insolvenz – so unangenehm sie operativ ist – nicht automatisch zu einem Vermögensschaden führen muss. Sie ist aber auch kein Freipass: Wo Prozesse versagen, wo Fehlbuchungen oder Fehlallokationen auftreten, entstehen Lücken, die erst in einem Insolvenzverfahren geschlossen werden.

Hier greift die zweite Schicht: die Anlegerentschädigungssysteme. In den USA schützt die SIPC Kundeneigentum bis 500’000 US-Dollar pro Kunde, davon 250’000 für Barmittel; abgedeckt sind Verwahrungslücken nach einer Broker-Pleite, nicht jedoch Marktverluste. In Grossbritannien übernimmt das FSCS bis 85’000 Pfund pro Institut, in der EU existieren nationale Systeme, die typischerweise bis 20’000 Euro gehen. Viele grosse Discount-Broker halten darüber hinaus „excess insurance“ bei privaten Versicherern, die theoretisch höhere Summen abdeckt – faktisch ist sie vor allem ein Beruhigungskissen, denn sie greift erst, wenn Regulärschutz und Insolvenzmasse ausgeschöpft sind und ist an Bedingungen geknüpft. Entscheidend bleibt: Diese Sicherungen existieren für den Ausnahmefall. Der Normalfall ist die ordnungsgemässe Segregation, die verhindert, dass überhaupt eine Lücke entsteht.

Eine dritte Schicht betrifft Liquidität und Gegenparteirisiken im täglichen Betrieb. Ein globaler Broker ist ein Netz aus Tochtergesellschaften, Sub-Custodians, Clearern und Market Makern. Je breiter das Angebot über Märkte, Währungen und Produktklassen, desto komplexer die Kette der Dienstleister. Bei Interactive Brokers etwa hängt die rechtliche Zuordnung des Kundenkontos davon ab, wo der Kunde steuerlich ansässig ist; EU-Kunden werden in der Regel über eine europäische Tochter geführt, Schweizer häufig über die US- oder UK-Einheit. Das ist nicht nur juristische Folklore, sondern bestimmt, welcher Aufseher zuständig ist, welches Insolvenzrecht gilt und welche Entschädigungssysteme greifen. Wer ein Konto eröffnet, unterschreibt einen Stapel von „Client Agreements“ und Offenlegungen; die wenigsten lesen sie. Wer Sicherheit priorisiert, beginnt genau dort.

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Behandlung von Barmitteln. Während Effekten rechtlich segregiert sind, sind Cash-Bestände bei einem Broker nur in dem Umfang geschützt, in dem das jeweilige System dies vorsieht. Viele Broker reduzieren dieses Risiko mit „Sweep-Programmen“, die freie Guthaben täglich auf Partnerbanken verteilen, sodass für jedes Teilguthaben eine separate Einlagensicherung greift. Alternativ können Kunden Cash in Geldmarktfonds oder kurzfristige Staatsanleihen parken – Produkte mit geringem, aber nicht null Risiko und mit Marktpreisvolatilität. Der scheinbar triviale Entscheid, Franken in Dollar umzutauschen und als Fremdwährungscash im Depot liegen zu lassen, ist also ein Sicherheitsentscheid. Er berührt Kontrahentenrisiko, Sicherungssystem und Marktrisiko zugleich.

Eine vierte Schicht entsteht durch das eigene Verhalten. Sicherheit ist nicht nur Struktur, sondern auch Disziplin. Wer auf Margin handelt, erlaubt dem Broker die Verwertung von Sicherheiten bei Kursschwankungen, und er öffnet die Tür für Rehypothekation. In Stressphasen erzwingt die Risikomaschine des Brokers – bei Interactive Brokers berüchtigt effizient – automatisierte Liquidationen. Das schützt das Institut und damit indirekt alle Kunden; es kann für den Einzelnen aber schmerzhaft sein. Ereignisse wie der Ölpreis-Crash 2020 oder das Meme-Stock-Fieber 2021 haben gezeigt, wie schnell Marktschock, Margin-Anforderung und Systemlogik zusammenwirken. Sicherheit bedeutet in diesem Kontext nicht, dass der Broker Verluste verhindert, sondern dass er sie nicht sozialisiert und dass sein Risikomanagement robust genug ist, um nicht selbst zu kippen.

Was ist mit Wertpapierleihe? Viele Discount-Broker bieten Programme an, in denen sie auch „fully paid“ Aktien verleihen und den Ertrag mit dem Kunden teilen. Das erhöht die Rendite, hebt aber das Risikoprofil: Verliehene Aktien sind in diesem Zeitraum ersetzt durch Sicherheiten des Entleihers; im Störfall drohen Verzögerungen und Friktionen bei der Rückgabe. Wer maximale Rechtssicherheit will, verzichtet auf solche Programme. Wer sie nutzt, sollte die Besicherung, das Gegenparteimanagement und die vertraglichen Exit-Klauseln verstehen – und akzeptieren, dass Zusatzrendite nie ohne Zusatzrisiko zu haben ist.

Die fünfte Schicht betrifft die Qualität der Ausführung. Sicherheit ist mehr als Verwahrung; sie beinhaltet auch die Frage, ob Orders fair und effizient ausgeführt werden. Hier liegt eine Differenzierung zwischen Brokern, die Orderflüsse gegen Entschädigung an Market Maker weiterleiten („Payment for Order Flow“), und solchen, die mit Smart-Routing jeden einzelnen Börsenplatz gegeneinander ausspielen. Für die Sicherheit des Vermögens ist das sekundär; für die Integrität der Preisbildung und die faire Behandlung des Kunden ist es zentral. In illiquiden Titeln oder ausserhalb der Kernzeiten übersetzt sich ein schlechter Ausführungspreis in eine reale Vermögenseinbusse – genauso endgültig wie eine zu hohe Gebühr.

Bleibt die Aufsicht. Ein internationales Institut steht unter multipler Regulierung: US-Broker unter FINRA/SEC, britische Einheiten unter FCA, EU-Tochtergesellschaften unter nationalen MiFID-Aufsehern. Diese Vielfalt ist vorteilhaft, weil sie Arbitrage erschwert; sie ist herausfordernd, weil sie für den Kunden unübersichtlich bleibt. Die Praxisfrage lautet: Weiss ich, welche Einheit mein Konto führt, wo die Vermögenswerte verbucht sind, welche Verwahrstellen genutzt werden und wer im Störfall welchen Hebel bedient? Ein einfacher Test schafft Klarheit: den Auszug auf juristische Entitäten lesen, eine kleine Testüberweisung in beide Richtungen durchführen, die Reaktionszeiten des Supports im Problemfall simulieren. Sicherheit ist erfahrbar, nicht nur behauptbar.

Und wie schlagen sich die internationalen Discount-Broker im Vergleich zu traditionellen Schweizer Anbietern? Die intuitive Antwort „zu Hause ist es sicherer“ ist trügerisch. Auch Schweizer Banken verwahren die meisten ausländischen Titel bei internationalen Zentralverwahrern, auch sie nutzen Sub-Custodians, auch sie sind an Marktinfrastruktur angeschlossen. Der Unterschied liegt weniger in der Verwahrkette als in der Kultur: Die Bank verkauft Service, Bequemlichkeit und ein ganzheitliches Paket, der Discount-Broker verkauft Ausführung, Breite und Preis. Wer eine Schweizer IBAN, persönliche Betreuung und lokale Steuerreports braucht, zahlt dafür – und bekommt eine Sicherheit, die vor allem in der operativen Nähe liegt. Wer globale Reichweite und sehr tiefe Gebühren sucht, findet sie beim internationalen Broker – und muss die juristische Distanz bewusst managen.

Was folgt daraus praktisch? Halten Sie Cash beim Broker so tief wie nötig und so strukturiert wie möglich, nutzen Sie Sweep-Lösungen oder parken Sie Liquidität in kurzlaufenden, hochwertigen Vehikeln. Verzichten Sie auf Margin, wenn es nicht Teil Ihrer Strategie ist, und kennen Sie Ihre Liquidationsschwellen. Schalten Sie Wertpapierleihe nur ein, wenn Sie die Mechanik und die Sicherheitenstruktur verstehen und die Zusatzrendite das zusätzliche Komplexitätsrisiko rechtfertigt. Prüfen Sie regelmässig die Gegenparteien- und Verwahrstellenangaben in Ihren Auszügen. Diversifizieren Sie, wo sinnvoll: Zwei Broker sind nicht doppelt so kompliziert, können aber die Abhängigkeit halbieren. Und unterschätzen Sie nie die Basisschicht der digitalen Hygiene: starke, einzigartige Passwörter, Zwei-Faktor-Authentisierung, restriktive API-Rechte.

Die nüchterne Antwort auf die Ausgangsfrage lautet: Ja, internationale Discount-Broker können sehr sicher sein – nicht, weil sie unfehlbar wären, sondern weil das moderne Kapitalmarkt-Gerüst die Risiken verteilt und begrenzt. Sicherheit entsteht aus der Kombination von sauberer Segregation, klaren Rechtsrahmen, durchdachtem Risikomanagement und mündigem Kundenverhalten. Wer die niedrigen Gebühren und die globale Reichweite nutzen will, kann dies ohne schlaflose Nächte tun, wenn er die Sicherheitsarchitektur kennt und eigenverantwortlich handelt. Der Preis der Freiheit an den Märkten ist nicht hoch – aber er wird in Aufmerksamkeit bezahlt.